
Wenn der Wind über die Ebenen fegt, bis nur wenige Details zu erkennen sind, wenn Nebel die Berge verhüllt oder dichter Schneefall alles verschluckt, so dass sich einzig das gewählte Motiv zart aus den weißen Schleiern herauslöst, dies sind zwar Gegebenheiten, die etwas unbequem zum Verweilen in der Natur sind, aber sie liefern die perfekten Licht- und Wetterstimmungen für die in der aktuellen Ausstellung gezeigten Bilder. Diese sind zwischen 2022 und 2025 auf insgesamt drei Reisen durch das winterliche Nordjapan entstanden. Es geht mir jedoch, wie in all meinen Arbeiten, nicht um klassische Reise- oder Landschaftsfotografie. Vielmehr ist es der in der Landschaft erkennbare Einfluss des Menschen, der mich fasziniert, die Spuren, die er hinterlässt, wie Fußspuren im Schnee.
Vernissage am Sonntag, 19.10.2025 um 17.00 Uhr
15517 Fürstenwalde
Gezeigt werden zwei Serien meines aktuellen Schaffens:
In der Serie „Only Human“ geht es mir um die Schönheit, ja fast schon Erhabenheit, des Desolaten in vom Menschen geformten und verwundeten Landschaften. Die Motive sind industrieller, kommerzieller oder urbaner Art. Zu sehen sind unter anderem agrarwirtschaftliche Artefakte, Strommasten, Solaranlagen, Häfen oder militärische Anlagen. Stille Szenen, die wie selbstverständlich am Wegesrand liegen, und die erst im Nachklang eine Resonanz entstehen lassen. Es ist mir ein Anliegen die Schönheit, die in diesen „gedemütigten“ Orten steckt, auf das Bild zu bannen und dem Betrachter nahezubringen. Die winterlich-helle Ästhetik der Bilder verleiht den trist bis desolat anmutenden Motiven eine Leichtigkeit, die im Betrachter eine surreale Seherfahrung hervorruft. Man wird zu gleichen Teilen angezogen, wie auch abgestoßen vom Gesehenen. Der Titel „Only Human“ spielt dabei auf die menschliche Schwäche an, die gerne als Entschuldigung für dessen Handeln herangezogen wird. Die Natur zum eigenen Vorteil auszubeuten und nach Konsum und dem eigenen Vergnügen zu streben, scheint eine unvermeidbare menschliche Eigenschaft zu sein. Trotz des Wissens um die Folgen des eigenen Handelns, wird unbehelligt fortgefahren im festen Glauben: „It’s only human“.


Dem gegenübergestellt werden die fast schon abstrakten Bilder der Serie „Wilderness“, in der menschengemachte und natürliche Strukturen eine Symbiose eingehen und zu etwas Neuem verbunden werden. Gegenstand dieser Serie sind von Gestrüpp überwucherte Strommasten und Laternenpfähle, sowie wildwachsende Sträucher, die sich am Rande von landwirtschaftlich genutzten Flächen ihre Existenz erkämpft haben. Die beiden Gegensätze der geradlinigen, funktionellen Ästhetik von menschlichen Artefakten und der chaotischen Schönheit der Natur treffen aufeinander und bilden eine Einheit. Die schneebedeckten Felder des winterlichen Hokkaidos dienen als minimalistische, weiße Hintergrundfläche, vor der die Motive eine fast skulpturale Präsenz bekommen.
Katja Gragert wurde 2023 mit dem Brandenburgischen Kunstpreis in der Kategorie Fotografie ausgezeichnet und erhielt mehrfach internationale Auszeichnungen und Preise (u. A. Gold Award bei den Tokyo International Foto Awards, zweimal Silver Award beim Px3 de la Paris, Gold Award bei den Moscow International Photography Awards).