Dennis Schnieber

Katalog zur Ausstellung „So gesehen, oder halt nicht“ 2021
Fotografie

21×21 cm, 56 Seiten, Softcover
10,- €

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Dennis Schnieber

„So gesehen oder halt nicht“ lautet der Titel der neuen Ausstellung von Dennis Schnieber in der Kunstgalerie im Alten Rathaus Fürstenwalde. Der Titel ist dermaßen prägnant gewählt, dass jegliches Vorwort einer Erübrigung gleichkäme.

Sehr wohl verdeutlicht dieser Ausstellungsname aber exemplarisch, was für alle Kunstrichtungen zutreffend ist –  es gibt unterschiedliche Sichtweisen und es liegt an jedem selbst, ob und in welcher Ausprägung diese zugelassen werden. Ursprünglich aus dem Bereich der bewegten Bilder kommend, beschäftigte sich der Kulturwissenschaftler und Medienkünstler Dennis Schnieber zunehmend mit den statischen Lichtbildern.  Als inzwischen dominierendes Element seiner praktischen Arbeit, gab die Fotografie eine Möglichkeit, exemplarisch Inhalte festzuhalten, die unter flüchtigen Umständen keinerlei Beachtung fänden. Der Fotograf versteht sich als „trügerischer Dokumentarist, der im Durcheinander nach Ordnung sucht oder Bekanntes in die Irritation überführt“, wobei eher das trügerische hier in den Hintergrund rückt.[1] Der Fotograf steht in einer direkten Nachfolge der klassischen Bildkünstler, wie Grafiker und Maler. Es war seit jeher eine Herausforderung der Malerei, ein gesehenes Motiv in voller Gänze und Schönheit abbilden zu können. Neue Medien erleichtern das schlichte Abbilden, wie uns eine (Selfie)-Generation mit Handy und Tablet täglich beweist. Zunehmend werden die Anforderungen an den Künstler, sei es ein Fotograf, Bildhauer oder Maler, prekärer. Er muss sich abheben in einer urbanen Bilderflut aus Reklame und Werbung. Das reine Abbilden wurde von der Fotografie abgelöst, die Bildfindung hingegen ist und bleibt, ungeachtet dessen, dass die technische Handhabung der Kamera grundlegend ist,  der eigentliche Schöpfungsakt. Nicht zuletzt beweist Dennis Schnieber alle jene Kriterien, sowohl in technischer Versiertheit als auch in künstlerischer Auslebung. Ein durchaus kunstinteressierter Bauingenieur berichtete nach der Betrachtung von Dennis Schniebers Werken: „Fassaden, Baufluchten, Straßen,…, das habe ich doch jeden Tag.“ Der Betrachter bezeugt mit dieser Aussage die Sensibilisierung für eine Auswahl bestimmter Bildmotive. Der überwiegende Teil der Betrachter hingegen ist erstaunt, wie routiniert, selbstverständlich und missachtend sie genau an jene eben genannten Motive täglich vorbeigehen und nur wenig davon registrieren. Das Dokumentieren bezieht sich hier mit offenkundiger Wirksamkeit  auf scheinbar Triviales und Beiläufiges. In präzise gewählten Ausschnitten, rücken die alltäglichen Dinge in den Fokus der Betrachtung. Hier werden Motive in Einzelteile zerlegt und auf Linien und Formen reduziert. Ureigenste grafische Elemente dominieren im Bild. Das vom Menschen Geschaffene (bspw. ein Gebäude), das optisch oftmals im urbanen Chaos zu verschwinden droht, wird von Dennis Schnieber aufgegriffen und chirurgisch, präzise in seinen Einzelteilen erläutert. Im Ergebnis wird architektonische „Anatomie“ deutlich, die sich wiederum behaupten muss – Denn, wiederkehrende Veränderungen an den geordneten, grafischen Strukturen bleiben allgegenwärtig. Sei es die sauber und exakt geschnittene Gartenhecke, die sich ihre Freiheit zurückerkämpft, ein deformiertes Auto, das die Werkstattnorm verloren hat oder die verdreckte Fassade im Großstadtchaos. Das Abweichen von einer diktierten Ästhetik und die Diskussion über Relevanz und Wertigkeit, sind in Schniebers Arbeiten kontinuierliche Bestandteile einer visuellen Aufarbeitung von Erfahrungen. Ungeachtet dessen sind es doch die mathematischen, geordneten und präzisen Elemente, die uns Ausgewogenheit und damit „Schönheit“ suggerieren. Völlig unabhängig vom eigentlichen Motiv.   Schnieber arbeitet also in einem Kontext, der der Bild- und Kunstwissenschaft durchaus nicht unbekannt ist. Der Berliner Kunsthistoriker Horst Bredekamp schrieb völlig zutreffend: „Der irdische Künstler, dies gehört zum festen Bestandteil der Kunsttheorie seit der griechischen Antike, ordnet ebenfalls das Chaos in die Schönheit der Proportion.“[2]