Julia Kausch und Björn Krause

Katalog zur Ausstellung „mehren und schwinden“ 2020
Plastik | Malerei 

21×21 cm, 52 Seiten, Softcover
10,- €

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mehren und schwinden

Zwei junge Rostocker Künstler gewähren in der Kunstgalerie im Alten Rathaus einen kleinen Einblick in ihr Schaffen. Nicht zum ersten Mal präsentieren die Beiden ihre Werke in einer gemeinsamen Ausstellung.

Bereits 2016 zeigten Julia Kausch und Björn Krause Plastiken und Malerei unter dem Titel „Mensch und Tier“. Die zwei Künstler studierten an der Rostocker Technischen Kunstschule, Kommunikationsdesign und Illustration. Julia Kausch absolvierte an der gleichen Schule zusätzlich ein Studium der Bildhauerei bei Thomas Jastram, welcher als angesehener Bildhauer die Technische Kunstschule in Rostock aufbaute. Nach ihren Abschlüssen wurden Julia Kausch und Björn Krause freischaffend tätig. Am Warnowufer, am Rande der idyllischen Rostocker Altstadt, bezogen sie ihre Atelierräume.

Beide Künstler lockte das Studium nach Rostock. Während die in Grevesmühlen geborene Julia Kausch dem Mecklenburgischen treu blieb, verließ der gebürtige Frankfurter Björn Krause das Brandenburger Land und fand seinen neuen Arbeits- und Lebensmittelpunkt an der Küste. In ihren Werken beschäftigen sich beide Künstler mit dem Leben: Kausch mit dem Menschen, Krause mit dem Tier.

Julia Kausch steht in direkter Folge Deutscher Bildhauerei des 20. Jahrhunderts. Als figürliche Bildhauerin rückt sie den Menschen in den Mittelpunkt ihres Schaffens. Ihre Figuren nehmen Haltungen an, die von „posierend“ bis „heimlich ertappt“ reichen. Der menschliche Körper in ausgeglichener Ruhe, wie auch in tüchtiger Erregung, wird in den Arbeiten thematisiert. Es handelt sich um eine beständige Suche nach beidem. Die Künstlerin spricht dabei von der Architektur des Menschen. Seine körperliche Gestalt, die von der Grundsache bei allen Menschen kontinuierlich identisch ist, unterstützt dabei die Künstlerin bei der Entwicklung ihrer Figuren. Eigenheiten lassen dabei Individualität entstehen. Handelt es sich um Portraits, ist diese Individualität des Menschen die wichtigste Art der Unterscheidung. Zielen die Arbeiten hingegen auf eine allgemein gültige körperliche Gestalt ab, ist das Individuelle lediglich die Grundlage bei der Annäherung an die ganz leicht abstrahierte Figur. Julia Kausch arbeitet mit Modellen –  sie schafft naturgetreue Abbildungen in einem langandauernden von Disziplin geprägten Arbeitsprozess. Als studierte Grafikerin entwickelt sie aber auch ihre Plastiken aus der Zeichnung heraus. In einer durch Bilderflut entstellten Wahrnehmung fordern Kauschs‘ von Ruhe und Einkehr bestimmten Arbeiten den Betrachter heraus. In der Werkgruppe der lebensgroßen Portraitbüsten ist die ungemein präzise Arbeitsweise der Künstlerin hervorzuheben. Ihre Portraits zeigen Menschen in all ihrer Individualität und Schönheit, sowohl in Wesenszügen als auch in der Physiognomie ihrer Gesichter.

Im Zentrum der Arbeit des studierten Grafikers Björn Krause hingegen steht nicht der Mensch, sondern das Tier. Die oft farbgewaltigen und großformatigen Aquarelle präsentieren alles was läuft, schwimmt und fliegt. Neben klassischen Buchillustrationen entstehen auch eigenständige Werke, die ähnlich einer Fabel, Tiere mit menschlichen Wesenszügen darstellen. Grundlager seiner Arbeit sind persönliche Lebenserfahrungen, die zum Teil deutlich im Werk erkennbar sind. Tierdokumentationen beförderten seit frühester Kindheit seine bildnerische Tätigkeit und führten nahezu unweigerlich  zum Motiv „Tier“. In der Bildenden Kunst wurde den Tieren seit jeher ein fester Platz eingeräumt. Oftmals dienten Tiere als Symbole oder Bedeutungsträger. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich die Tiermalerei zu einem Bereich des Stilllebens, was sich aufgrund steigender Popularität bis heute zu einer eigenständigen Gattung innerhalb der gegenständlichen Malerei steigerte. In den Arbeiten Krauses wird eine Präferenz für wasserbewohnende Tiere deutlich. Ein ebenfalls häufig auftretendes Motiv ist darüber hinaus der Stier. Die genaue Beobachtungsgabe des Künstlers lässt Werke entstehen, die sowohl Tiere in ihrem Lebensraum darstellen, als auch völlig losgelöst von ihrem Umfeld abgebildet sind. Diese Loslösung sowie die Steigerung zum autarken Bildmotiv, verdeutlicht auf ein weiteres die Bedeutung der Tierwelt. Eine intakte Natur zeichnet sich in Krauses Arbeiten noch am ehesten in der Unterwasserwelt ab. Im wiederkehrenden Motiv des Stieres, verdeutlicht der Künstler darüber hinaus die Unterdrückung der Natur durch den Menschen. Die rituelle Tötung des Tieres ist dabei auch Sinnbild  für den natürlichen Kampf und der anthropogen überformten  Natur. In Zeiten von alarmierender Verringerung der Biodiversität, sind Krauses Aquarelle eine wohltuende Präsenz von Naturschönheit. Gleichzeitig ist die menschlich, vorrangig von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern, beeinflusste gegenwärtige gesellschaftliche Situation auf Krauses Werkinhalte übertragbar. Beispielhaft dafür sind Darstellungen von Tieren, die menschliche Eigenarten und Körperschmuck aufweisen. In einigen Werken werden das Bildmotiv und damit auch die Bildaussage durch Textzeilen ergänzt, die in der linken Szene durchaus Kultcharakter tragen.

Gemäß dem von den Künstlern gewählten Ausstellungstitel „Schwinden und mehren“, stellen wir Mensch und Tier gegenüber. Wertungsfrei und ohne Präferenz. Aus persönlicher Interpretation heraus stehen sich in dieser Ausstellung zwei unterschiedliche Gruppen von Lebewesen gegenüber. Beidem gleich: die Einzigartigkeit  und Schönheit des Lebens. Aber auch wohlwissend, dass sich gleichzeitig Überbevölkerung und Artensterben gegenüberstehen.

Dass Rostock kulturell, geschichtlich und künstlerisch einiges zu bieten hat, ist allseits bekannt. Dass es die Kultur generell schwer hat, sich zu behaupten, ist ebenfalls bekannt. Dass die Wahrnehmung einer Stadt unterschiedlich sein kann, ist auch nichts Unbekanntes. Interessant ist aber, wenn das Dafür und Dagegen die gleiche Begründung haben. Als der Bildhauer Thomas Jastram 2011 nach Hamburg umzog, verabschiedete er sich aus Rostock mit folgenden Worten: „Rostock nörgelt, Rostock ist schlecht gelaunt.“[1]  Der aus Frankfurt (Oder) stammende Björn Krause hingegen beschreibt seine Liebe zu Rostock ähnlich, aber positiv: „Rostock hat einen ganz eigenen Charme. Rostock ist ein betrunkener, recht angesäuerter Gentleman.“[2] Sowohl Julia Kausch, als auch Björn Krause beweisen mit ihrer Arbeit, trotz nicht immer idealen Bedingungen, dass Rostock aus künstlerischer Sicht eine bedeutende Stadt ist und wir als Kunstgalerie freuen uns diesen „Gentleman“ kennenzulernen.

Christian Köckeritz
 

[1] Schlößer, Frank: „Die Stadt der verpassten Chancen“. Nach 26 Jahren Arbeit und Leben in der Hansestadt ziehen der Rostocker Bildhauer Thomas Jastram und sein Frau Christine nach Hamburg-Elmsbüttel, wo sich das neue Atelier befindet, unter:

http://www.das-ist-rostock.de/artikel/46576_2011-08-24_die-stadt-der-verpassten-chancen/ (abgerufen am 05.01.2020).

[2] Weinert, Christian: „…selten ein Traumjob“ Björn Krause – Rostock Rotates EP [01], unter:

https://www.youtube.com/watch?v=jMDk-xQmFaY (abgerufen am 05.01.2020).