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Anja Asche „Fragile Kräfte“

Fragile Kräfte. Fragil – Kraft. Ein vermeintlicher Widerspruch? In dem Titel der Einzelausstellung von Anja Asche steht das Zerbrechliche dem Starken gegenüberstehen, bildet eine Spannung, deren Ausgang nicht einschätzbar ist und verdeutlicht, dass Unscheinbares, Übersehenes dennoch Verantwortung in sich trägt.

In minimalistischen Installationen, Skulpturen und Zeichnungen untersucht Anja Asche das Verhältnis zwischen Natur und Mensch. Aus winzigen Teilchen setzt die Künstlerin ihre klaren, feingliedrigen Objekte behutsam zusammen. Fundstücke aus Fauna und Flora werden mit Überbleibseln unserer menschengemachten Umgebung zusammengeführt. Das erfordert forschen, suchen, bewahren. Asches Arbeiten leben von hoher Sensibilität und entfalten bei aufmerksamer Betrachtung ihre geballte Kraft: Ein einzelner Samen einer Pusteblume dient als Körper, andere Pflanzenkeime sind kleine Beinchen. Lange Federstücke dienen als Schweif oder Flügel.

Immer wieder finden sich kleine Metallplättchen aus Elektrogeräten in deren Körpern. Sonderbare Hybridwesen, die nun Teil dieser Welt sind? In der neusten Serie „Bestäubungsdrohnen“ setzt sich Asche mit dem Bienensterben auseinander. Tatsächlich schwärmen bereits Mini-Drohnen aus und bestäuben Nutzpflanzen, da der Rückgang der Bienenpopulation in vielen Ländern drastisch rückläufig ist. Anstatt sich der Ursachen des Rückgangs zu stellen und diese zu beheben, wird in die Forschung von Roboterbienen investiert. Ein Eingriff, dessen Konsequenzen wir noch nicht einschätzen können. In der Zeichnung „Verdichtung“ führt Asche intuitiv ihre dünnen, schwarzen Linien über das Steinpapier. Die Wahl des Untergrunds greift erneut das Zusammenführen verschiedener Materialien auf;Steinpapier besteht aus natürlichen Kalksteinresten, die mit künstlichem Harz gebunden und zu Papier aufbereitet werden. Die Farbe sitzt satt und sanft auf seinem Untergrund. Linien tänzeln, verschlingen und verweben sich ineinander. Vereinzelt entstehen Verdichtungen zu kokonartigen Gebilden. Die gezeichneten Kokons finden sich in den dreidimensionalen Arbeiten wie in „made by nature“ wieder. Mit Ästen und roten Fäden entstehen Verflechtungen, die Assoziationen zu Zellen wecken, die schützen. Doch sind sie bloß lose ineinander verwebt. Mit einem Zug lösen sie sich, neigen ineinander zusammenzufallen. Die Künstlerin pickst mit Nähnadeln und Wachs mehre Stränge roten Garns in Astspitzen, die als Rinnsal herabfließen. Oder sie umwickelt die dünnen, gewundenen Zweige an der Wand mit ihren Fäden, wie bei der Arbeit „zum Licht“. Asches Installationen tragen Leichtigkeit in sich, schweben im Raum und arbeiten mit Licht und Schatten. In ihren Silhouetten vereinen sich die Materialien an der Wand und werden mit neuen Schattenlinien erweitert. Das Verschmelzen von Gegensätzlichem, dem festen Holz und dem fließenden Garn, ermöglicht die Öffnung einer neuen Bild- und Gedankenebene. Anja Asches Arbeit strahlt eine kraftvolle Ruhe aus. Statt das Eine gegen das Andere zu ersetzen, wie es so häufig in unserer Zeit vorkommt, entsteht in ihren Arbeiten etwas Neues durch Zusammensetzen von nicht Zusammengehörigem. Hier stehen sich diese Kräfte nicht gegenüber – sie verbinden sich, bilden eine Einheit. Die Wahl der Materialien, die durch äußere Einflüsse wie eine grobe Berührung oder die Veränderung von Temperatur, leicht beschädigt oder gar zerstört werden können, spielt mit der Vergänglichkeit auf mehreren Ebenen und lässt sich auf unser aller Leben beziehen. Fragile Kräfte – spricht Warnung aus, dass etwas gefährdet ist und trägt gleichzeitig Hoffnung auf Veränderung in sich.

Katja Andrea Hock
Kunsthistorikerin