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wachsen und werden

„Als vor zwei Jahren der Vorschlag beraten wurde, eine Ausstellung mit Miniaturen im Bezirk Frankfurt (Oder) vorzubereiten, zeichnete sich ab, daß damit dem großen Interesse bildender Künstler und der breiten Öffentlichkeit gleichermaßen entsprochen wurde.

Ging es doch darum, eine Möglichkeit zu finden, den in den vielen Ausstellungen unseres Landes immer wieder gelegentlich aufzufindenden „Miniaturen“ eine nur für sie zur Verfügung stehende Ausstellung zu geben.“ Mit diesen Worten rief Hartmut Matzat, der damalige Direktor des Zentrums für künstlerische Werkstätten und bildende Kunst des Bezirkes Frankfurt (Oder), im ersten Katalog der „Miniaturenausstellung“ im Jahr 1982 zum Geleit. Inzwischen sind vierzig Jahre vergangen und die beachtliche Zahl von 172 Bewerbungen zur diesjährigen „Miniatur“ verdeutlicht in überragender Weise, wie zeitgemäß Matzats Worte noch heute sind. Miniaturen, nicht etwa in ihrer synonymen Bedeutung als Buchmalerei, erfreuen sich mehr denn je größter Beliebtheit. In Zeiten von globalen Katastrophen sind es vielleicht die kleinen Dinge, die uns daran erinnern, welche Ausdauer, Beständigkeit und Wirkungsweite Werke der bildenden Kunst besitzen. Jede Epoche hat ihre Höhen und Tiefen, jede Gesellschaft ihre Stärken und Schwächen und jede Kunst erfreut und erzürnt. Kritisches Hinterfragen und Kritik zu äußern, aber auch Kritik anzunehmen sind wichtige Fundamente für ein gemeinschaftliches, soziales Gefüge, das kaum stärker beeinflusst ist als vom „Wachsen und Werden“.

Welche positiven Aspekte und/oder welche negativen Folgen ein stetiges Streben nach „Mehr“ haben kann, sollte Ausgangspunkt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen Miniatur sein.

Aufgrund der starken Beteilung an der Ausschreibung und der räumlich begrenzten Ausstellungsfläche hatte die Jury die nicht beneidenswerte Aufgabe eine Auswahl zu treffen. 62 Bewerbende überzeugten letztlich mit unterschiedlichsten künstlerischen Mitteln und im kleinsten Format das Thema entsprechend umzusetzen.

Insbesondere die inzwischen medienpräsenten Themen wie Klimawandel, Überbevölkerung, Anonymität, Umweltzerstörung, Flächenversiegelung und Urbanisierung mit der Folge eines sozialen Ungleichgewichtes wurden eindrücklich von den Kunstschaffenden umgesetzt. Die in der Ausschreibung, zugegebenermaßen nur der Vollständigkeit halber erwähnten, positiven Begriffe wurden von den Bewerbenden kaum beachtet. Ein Zeichen dafür, dass in breiten Kreisen der bildenden Kunst die Probleme des 21. Jahrhunderts aufmerksam betrachtet werden!

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch wieder unsere Freude darüber, dass die Bewerbungen und damit das künstlerische Auseinandersetzen mit dem Thema an keine territorialen Grenzen gebunden ist. Seit der politischen Wende beteiligen sich Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland an der nur alle vier Jahre stattfindenden „Miniatur“ in Fürstenwalde. Durchaus ein Aspekt des Zusammen-„Wachsens“. Ferner dienen die thematischen Ausstellungen einem künstlerischen und kulturpolitischen Diskurs, einem politische Grenzen missachtenden Austausch und einer Solidarisierung der Kunstschaffenden mit Menschen die temporär oder lebenslang einer Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Benachteiligung ausgesetzt sind. „Wachsen und werden“ muss zusehends auch wieder positiv betrachtet werden können. Vielleicht nicht unbedingt mit Konsum und Produktionssteigerung, aber vielleicht mit dem Humanismus und der Menschwerdung, die wir Menschen allmählich in Vergessenheit geraten lassen.

Mit diesem nostalgischen Nachklang einer Rückbesinnung auf schützenswerte Traditionen leiten wir über zu einer Gepflogenheit, die dankenswerterweise nicht abgebrochen ist. Seit 1982 findet die „Miniaturenausstellung“ statt, seit 1990 werden Preise verliehen, seit 1994 stiftet die Stadt Fürstenwalde den „Fürstenwalder Kunstpreis“ und ich möchte es mir nicht nehmen lassen, den beiden Gewinnerinnen des Jahres 2022, Anja Asche mit ihrer Skulpturenserie „Berühren – Begegnen – Isolation“ und Miriam Przygoda mit der Linolschnittserie „Erneuerbare Energien“ , hiermit ganz herzlich zu gratulieren.

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Teilnehmenden, die mit ihren Arbeiten diese Ausstellung möglich gemacht haben. Unser Dank gilt dabei auch allen Bewerberinnen und Bewerbern, die in diesem Jahr nicht dabei sein konnten, aber uns die Möglichkeit gaben, einen tiefen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen zu bekommen. Ferner danken wir der Stadt Fürstenwalde für die Stiftung des diesjährigen Kunstpreises im Rahmen der „10. Miniatur“. Wir verstehen diesen Brauch auch als Wertschätzung gegenüber allen Kunst- und Kulturschaffenden der Region, die mit ihrer täglichen Arbeit die Stadt Fürstenwalde weit über ihre Grenzen hinaus bewerben, präsentieren und lebendig verkörpern.

Abschließend sei auch der Dank an den Verein der Freunde und Förderer der Kunstgalerie Fürstenwalde e.V. gerichtet, die ebenfalls der Tradition treu blieben und einen weiteren Kunstpreis stifteten. Dieser Preis wird unter den Teilnehmenden selbst verliehen und wir können gespannt sein, wer den Preis nach Hause trägt. Hierbei wünschen wir allen ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern viel Glück.

Für die Ausstellung wünschen wir uns, dass sie ihr Ziel erreicht und allen Kunstbegeisterten viel Freude bringt.

Fürstenwalde/Spree, September 2022

Christian Köckeritz

Leiter der Kunstgalerie Altes Rathaus Fürstenwalde