„Umgeben von Wäldern, in einer Region mit tiefen Wurzeln im Holzhandwerk, hat sich Deutschlands einzige Studienrichtung für Holzgestaltung etabliert.“[1] Mit diesem Satz wirbt die Fakultät für Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Der Studiengang mit dem Schwerpunkt Möbel- und Produktdesign lockte einst auch die Berliner Künstlerin Sabine Nier an.
Umgeben von Wäldern, in einer Region mit tiefen Wurzeln im Holzhandwerk, stellt Sabine Nier ihre Werke nun in der Kunstgalerie Altes Rathaus Fürstenwalde aus.
Vor ihrem Studium zur Diplom-Holzgestalterin arbeitete Sabine Nier als Bauzeichnerin und Tischlerin. Eine nachvollziehbare Kombination, betrachtet man doch ihre Werke. Weniger nachvollziehbar, beziehungsweise umso erstaunlicher, wirkt ihre Zuwendung zum Handwerk, wenn man bedenkt, dass die „Handwerker“ derzeitig kein gutes Standbein haben. „Handwerk hat goldenen Boden“ heißt es, doch hört man meist nur von schlechter Bezahlung und fehlenden Lehrlingen. In Fürstenwalde gab es um 1834 noch 14 selbstständige Tischler[2], heute sind es noch 3![3] Neben den allgemein abnehmenden Gesamtzahlen im Tischlerhandwerk, ist es sicher auch eine kleine Besonderheit, wenn eine Frau sich dazu entscheidet in dem Gewerk arbeiten zu wollen.
Und dennoch, Sabine Nier liebt Holz und sie blieb dem Holz auch immer treu. Sie verbindet ihr handwerkliches Geschick mit einer sehr sensiblen künstlerischen Herangehensweise. Ihre Werke sind vielseitig und innovativ. Ein Druckgrafiker, egal ob er Radierungen oder Holzschnitte anfertigt, sieht den Druckstock als Mittel zum Zweck. Entscheidend ist der fertige Druck auf dem Papier. Eine Künstlerin wie Sabine Nier sieht in der beschnittenen Holzplatte ein zweites Kunstobjekt. Aus zum Teil riesigen Holzbrettern schneidet sie filigrane Reliefs, die für ihre mehrfarbigen Drucke verwendet werden. Der mehrmals benutzte Druckstock wird wiederum als Träger von Bänken, Schränken und Kommoden umfunktioniert. Besonders die Restfarbigkeit der mehrmals kolorierten Holzbretter erzielt eine einzigartige Wirkung, wodurch jedes Möbelstück ein grafisch anmutendes Unikat darstellt.
Die interessante Oberflächengestaltung der Druckstöcke findet sich letztlich auch in den Arbeiten auf Papier wieder. Verspieltheit, Skurriles und Experimentelles machen einen Holzschnitt von Sabine Nier aus. Diese Verspieltheit zeichnet sich ebenfalls in den Motiven ab. Oftmals versieht die Künstlerin ihre Drucke mit einem humoristischen Spruch oder Untertitel. Generell lassen die Wortspielereien viele Betrachter schmunzeln. Titel wie „Gans, ganz philosophisch“ regen vielleicht auch Nicht-Gänse auf ironische Weise zum Nachdenken an.
Die klaren Formen in ihren Werken können aber auch rein illustrativ sein. Hervorragende Buch- und Kalendergestaltungen fesseln jeden Betrachter und laden zum Träumen ein. Stiere, Hunde, Affen, Gänse, Hirsche, Fische und Krokodile wandern durch ausschnittbegrenzte und abstrakte Farbflächen. Hin und wieder erkennt man in unterschiedlichen Werken den gleichen Druckstock für den Hintergrund. Die dem Holzschnitt gewöhnliche Zweidimensionalität, erfährt, durch die Verwendung unterschiedlicher Druckplatten und durch die Mehrfarbigkeit, eine starke Tiefenwirkung. Entweder hält sich der Hintergrund sensibel zurück oder er kontrahiert kontraststark mit dem Motiv. Letztendlich bilden Motiv, Hintergrund und Sinnspruch jedoch immer eine gestalterische Einheit.
Neben diesen figürlichen Arbeiten präsentiert Sabine Nier auch rein abstrakte Holzschnitte. In diesen Werken sind es das Lineare und die Farbigkeit, welche den Reiz ausmachen. Auch hier spielt ihr der Werkstoff Holz in die Karten, denn Holzmaserung übt bereits unbearbeitet eine starke Anziehungskraft auf den Menschen aus. Nicht ohne Grund wirkten die glattpolierten Biedermeier-Möbel im 19. Jahrhundert heimisch und atmosphärisch. Sabine Nier nutzt die positiven natürlichen Aspekte und lässt etwas Künstlerisches und Künstliches entstehen.
Christian Köckeritz
[1] Vgl. Internetpräsenz der Westsächsischen Hochschule Zwickau.
[2] Vgl. Unger, Emil: Die Geschichte der Stadt Fürstenwalde/Spree. Unter Benutzung der Chronik von Dr. Goltz
und anderer Quellen, Bd. 1, Fürstenwalde 1932.
[3] Information der Kreis Handwerkerkammer auf Anfrage des Museums Fürstenwalde im Jahr 2018.